Small Planet Airlines – Entstehung einer neuen Airline
Der deutsche Ableger der Small Planet Group, die Small Planet Airlines Deutschland, startete im Jahr 2015 vielversprechend. Mit Andreas Wobig und Oliver Pawel befanden sich zwei kompetente Geschäftsführer an Bord, die in der Airline-Branche keine unbekannten Gesichter waren. Wobig und Pawel hatten ihren einstigen Arbeitgeber, Germania, überraschend verlassen. Als Maschinenbau- und Luft- und Raumfahrtingenieur brachte Wobig technisches Know-How mit ins Unternehmen.
Die Small Planet Group mit Sitz in Litauen fungierte als Holding und bündelte neben dem deutschen Ableger alle weiteren Tochtergesellschaften unter ihrem Dach. Ursprünglich gegründet wurde das litauische Unternehmen durch Vytautas Kaikaris und Andrius Staniulis, um die beiden durch sie aufgekauften Small Planet Airlines Litauen und Poland zusammenzufassen. Small Planet Airlines Litauen entstammt der insolventen litauischen FlyLAL Charters. Das polnische Pendant war eine Tochtergesellschaft der FlyLAL Charters Polska.
Die Tochtergesellschaften der Small Planet Group
Neben dem deutschen Ableger mit Büro in Berlin gründete die Small Planet Group eine litauische und italienische Tochtergesellschaft. Darüber hinaus existierten weitere Tochterunternehmen in Estland, Kambodscha, Polen und Thailand.
Small Planet Airlines Lithuania
Die litauische Tochter mit Heimatflughafen in Vilnius wurde 2010 gegründet. Im Oktober 2018 erfolgte die Insolvenzanmeldung, eine Sanierung war nicht mehr möglich. Der Betrieb wurde zusammen mit dem Betrieb der deutschen Tochter eingestellt.
Small Planet Airlines Italia
Ebenfalls im Jahr 2010 gründete die Small Planet Group ein weiteres Unternehmen in Italien, das 2013 wieder verkauft wurde. Grund war der Entzug des Luftverkehrsbetreiberzeugnisses wegen finanzieller Schwierigkeiten.
Small Planet Airlines Estonia
Der aus der FlyLAL Charters Estonia entstandene Ableger Small Planet Airlines Estonia mit Heimatflughafen in Tallinn war im Besitz von nur einer Maschine, die für eine schwedische Airline Flüge übernahm. Nach der Insolvenz der schwedischen Fluggesellschaft wurde Small Planet Airlines Estonia im Jahr 2012 vollständig aufgelöst.
Small Planet Airlines Thailand
Die Gründung der thailändischen Tochtergesellschaft diente der wirtschaftlichen Überbrückung der schlechten europäischen Wintermonate. Die Small Planet Group hielt 49 Prozent Unternehmensanteile, die wegen bestehender Sicherheitsmängel in Thailand nach der Auflösung im Jahr 2015 abgegeben wurden. Neue Strecken in andere Länder konnten nicht aufgenommen werden.
Small Planet Airlines Cambodia
Nach dem Scheitern der thailändischen Tochtergesellschaft rief die Small Planet Group eine kambodschanische Tochtergesellschaft mit einer 29-prozentigen Beteiligung ins Leben, ebenfalls mit dem Zweck, den schwachen Winterflugbetrieb aufzufangen. Die schlechte wirtschaftliche Lage der Holding hatte Auswirkungen auf die Tochtergesellschaft in Cambodia. Auch hier wurde der Flugbetrieb eingestellt.
Small Planet Airlines Poland
Die polnische Tochter Small Planet Airlines Poland betrieb 12 Airbus-A320, die für verschiedene Reiseveranstalter Flüge in Urlaubsdestinationen übernahmen. Aufgrund der wirtschaftlichen Schieflage der Small Planet Airlines Deutschland hatte auch der polnische Ableger finanzielle Probleme, die schlussendlich zur Insolvenz und zur Einstellung des Flugbetriebs führten.
Small Planet Airlines Germany
Auf dem deutschen Markt trat die Tochter der Small Planet Group als Small Planet Airlines GmbH auf. Ziel der Fluglinie war es, für deutsche Reiseveranstalter Charterflüge anzubieten und so deutsche Touristen an ihre Urlaubsdestinationen zu verbringen. Zu Anfang eher klein mit nur zwei geleasten Maschinen, hatte sich das Unternehmen vergleichsweise große Ziele gesetzt. Denn: die Messlatte lag in Europa hoch. Ein dynamischer Markt machte es schon zum damaligen Zeitpunkt kleinen Fluggesellschaften nicht leicht, sich dem Konkurrenzdruck zu widersetzen. Zu den Hauptkonkurrenten zählt vor allem Germania. Der Wunsch der deutschen Geschäftsführer war es demnach, zu den Marktführern in ihrem Segment zu gehören und mit einem geplanten Umsatz von rund 30 Millionen Euro schon im ersten Geschäftsjahr nicht mehr im Verlustbereich zu wirtschaften.
Wie die anderen Tochtergesellschaften war auch die Small Planet Airlines Germany eine Tochter der litauischen Small Planet Group.
Aufnahme des Flugbetriebs
Das fehlende Luftverkehrsbetreiberzeugnis machte einen Flugbetrieb mit deutschen Maschinen unmöglich. Deshalb startete die Fluggesellschaft im Oktober 2015 zuerst mit Flugzeugen der polnischen und litauischen Schwestergesellschaften. Nachdem im Jahr 2016 das erforderliche Zeugnis durch das Luftfahrtbundesamt erteilt wurde, konnte Small Planet Airlines Deutschland den Betrieb regulär mit zwei geleasten Maschinen aufnehmen. Innerhalb von zwei Jahren vergrößerte sich die Airline auf sechs Flugzeuge mit zusätzlichen geleasten Maschinen während der Hochsaison.
Kunden und Urlaubsdestinationen der deutschen Small Planet Airlines
Zu den Kunden der Fluggesellschaft gehörten unter anderem die beiden großen Reiseveranstalter TUI und Thomas Cook, für die Small Planet Airlines vor allem Ziele in Südeuropa anflog. Für Thomas Cook sollten rund 460 Flüge nach Mallorca und Antalya übernommen werden, für TUI plante die Fluggesellschaft vierzehn Flüge pro Woche. Zu den Destinationen zählten Menorca, Burgas in Bulgarien sowie Heraklion und Kos in Griechenland. Neben TUI und Thomas Cook war auch DER Tour einer der Großkunden der Airline. Weitere Kunden, die ihre Charterflüge über die Airline abwickeln ließen, waren Condor und die FTI Group. Die Ziele lagen hauptsächlich im Mittelmeerraum und in Nordafrika. Dazu zählten Rhodos, Agadir, Antalya Hurghada und Marsa Alam.
Die Flüge wurden von folgenden deutschen Städten aus durchgeführt:
Für die Flugzeuge plante das Unternehmen mehrere Crews mit jeweils sechs Mitgliedern ein.
Niedergang und Insolvenz
Signifikante Verspätungen und außerplanmäßige Zwischenlandungen sorgten bei Passagieren und Kunden für deutlichen Unmut. Die Verspätungen betrugen teilweise über zehn Stunden. Eine schlechte Kommunikation im Anschluss führte dazu, dass die Small Planet Airlines Deutschland ihre wichtigsten Kunden verlor. Dazu zählten TUI, die FTI Group, Thomas Cook und DER Touristik. Entschädigungsklagen wurden Aussagen von Passagieren zufolge ausgesessen und nicht bezahlt.
Andere Ferienflieger wie TUIfly, Condor und Germania übernahmen die Flüge.
Ursachen der Insolvenz
Hauptursache der finanziellen Schieflage waren nach Aussage des ehemaligen Geschäftsführers Oliver Pawel die Abläufe bei den Cabin-Recruitments und -Trainings. Wegen der Air Berlin-Insolvenz war Small Planet Airlines außerdem gezwungen, die über Air Berlin geleasten Maschinen zurückzugeben. Daher war die Fluggesellschaft im Winter 2017/2018 mit nur einer Maschine auf dem deutschen Luftverkehrsbetreiberzeugnis geflogen. Ersatzweise kamen verschiedene Flugzeuge im Wet-Lease, das heißt inklusive Cabin Crew, zum Einsatz.
Die Trainings für die eigenen Mitarbeiter musste deshalb bei den Schwestergesellschaften erfolgen. Dazu kam eine Fehlplanung der Mitarbeiter, die über teure Subcharter aufgefangen werden musste. Die Subcharter waren im Sommer 2018 stark nachgefragt, Small Planet Airlines war aufgrund des kurzfristigen Bedarfs gezwungen, auf die noch vorhandenen Angebote zurückzugreifen. Aufgrund der hohen Nachfrage konnten die Subcharter-Anbieter mit Zuschlägen über 50 Prozent und mehr bei der Beauftragung arbeiten. Die beauftragten Airlines erbrachten dann ihre gebuchte Leistung teilweise nicht, waren aber für Flüge mit hohem Crewbedarf bestimmt. Flüge fielen aus oder hatten signifikante Verspätungen zu verzeichnen, die jedoch aufgrund fehlender eigener Maschinen nicht aufgefangen werden konnten.
Als ein weiterer Grund für die Insolvenz wurde ein Triebwerksschaden angeführt, der zu einem fast dreimonatigen Ausfall der Maschine führte. Ein Ersatztriebwerk war kurzfristig nicht verfügbar, auch nicht innerhalb des Unternehmens. Der Ausfall zwang die Small Planet Airlines erneut zum kurzfristigen Leasen kostenintensiver Subcharter und zog wiederum Flugverspätungen nach sich.
Die immens hohen Kosten für die Subcharter sowie die Entschädigungszahlen für ausgefallene oder zu späte Flüge wurde als Hauptauslöser für die Zahlungsunfähigkeit der Airline genannt.
Ablauf des Insolvenzverfahrens und potenzielle Investoren
Am 18. September 2018 meldete die Airline schließlich Insolvenz in Eigenverwaltung an. Dies versetzte die Schwestergesellschaften in finanzielle Bedrängnis. Insbesondere der polnische Ableger war von der Insolvenz stark betroffen und musste wenig später selbst Insolvenz anmelden.
Das Berliner Unternehmen Zeitfracht hatte unterdessen Interesse an einer Übernahme des deutschen Ablegers geäußert. Allerdings waren wichtige Zusagen durch die Muttergesellschaft in Litauen hinsichtlich des Wartungs- und Prüfbetriebs versäumt worden. Zeitfracht brach die Verhandlungen daraufhin ab.
Im Oktober 2018 bekannte die SF Aviation Holding B.V. Interesse, doch auch hier konnte keine Einigung bis Ende Oktober erreicht werden. Die türkische Fluggesellschaft Onur Air war Mitarbeiterinformationen zufolge ebenfalls an Small Planet Airlines Deutschland interessiert. Weil bis zum 31. Oktober 2018 kein Investor gefunden werden konnte, kündigte das Unternehmen seinen Mitarbeitern und stellte den Flugbetrieb zum 1. November ein. Zwei Maschinen gingen daraufhin an die Eigentümer zurück, zwei weitere Flugzeuge verblieben am Flughafen Paderborn-Lippstadt, um im Falle einer Einigung mit einem Investor eine schnelle Aufnahme des Flugbetriebs zu gewährleisten. Der letzte Flug landete am 1. November auf dem Flughafen Hamburg. Daraufhin verschwand die Airline vom Flugradar.
Mit der SF Aviation Holding B.V. wurde am schließlich eine Vorvereinbarung getroffen, mit der Absicht der Übernahme des insolventen Ferienfliegers. Voraussetzung war die Reaktivierung des Flugbetriebs binnen sechs Monaten. Ende November wurde bekannt, dass auch diese Verhandlungen gescheitert waren. Daher wurde am 1. Dezember 2018 das reguläre Insolvenzverfahren eingeleitet. Gläubiger konnten bis ihre Ansprüche bis zum 20. Januar 2019 geltend machen, der Prüfungstermin durch das Insolvenzgericht fand am 26. Februar 2019 statt. Nach der Insolvenzanmeldung gingen mehr als 10.000 Entschädigungsforderungen durch frühere Passagiere beim Insolvenzverwalter mit einer Gesamthöhe von rund 5 Millionen Euro ein.
Wegen zu wenig erworbener Emissionsberechtigungen für den CO2-Ausstoß hatte das Umweltbundesamt außerdem eine Strafe in Höhe von 10,2 Millionen Euro verhängt. Die Summe setzte sich aus einem Bußgeld und der Nachforderung der Emissionsberechtigungen zusammen. Unterlagen zufolge verfügte die Berliner Airline nur über 1.533 Berechtigungen, während 81.731 notwendig gewesen wären. Die starke Diskrepanz lag der Airline zufolge an einem Übertragungsfehler. Neben Passagieren gab es etliche zusätzliche Gläubiger: frühere Geschäftspartner, Leasing-Geber und ein großer Reiseveranstalter. Die Summe aller Forderungen betrug 50 Millionen Euro. Zur dramatischen Bilanz der gescheiterten Fluglinie gehören außerdem 400 Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz verloren.